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Im Foltergefängnis S21 in Phnom Penh ist das Lachen verboten

Lachen verboten! – das Tuol-Sleng-Genozidmuseum in Pnom Penh

Kristina und Thomas
Kristina und Thomas

Reisebegeistertes Paar aus Erlangen.
Gemeinsam haben wir bisher mehr als 45 Länder bereist.

So ganz ohne die Geschichte dahinter wirkt dieses Schild sehr merkwürdig. Ein Schild, das verbietet zu lachen. Wo gibt´s denn sowas? Und warum soll an diesem Ort nicht gelacht werden?

Dieses Schild habe ich im Sommer 2009 in einer ehemaligen Schule in Phnom Penh (Kambodscha) aufgenommen. Die Schule wurde unter der Herrschaft Pol Pots schrecklichst zweckentfremdet.

Vom Gymnasium zum brutalen Foltergefängnis

Auf einmal war sie kein Ort des Lernens und der Freude mehr. Kein Jauchzen und Lachen der Kinder mehr. Stattdessen wurde hier gefoltert. Die Freudenschreie wurden zu Schmerzensschreien. Denn die Regierung wollte den Gefangenen hier unter allen Umständen irgendwelche Geständnisse erzwingen.

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Das Gymnasium Tuol Svay Prey war auf einmal das Foltergefängnis der Roten Khmer in Pnom Penh. Ab sofort hieß dieser Ort nur noch S-21.

Die vier Gebäude wurden massiv umzäunt. Klassenzimmer wurden zu Gefängnissen und Folterräumen umgewandelt. Gewalt war auf einmal überall.

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Die Foltermethoden sind unvorstellbar grausam und ich möchte hier nicht weiter im Detail darauf eingehen. Aber sie waren so schrecklich, dass die oberen Stockwerke und Treppenhäuser der Gebäude unter anderem mit Stacheldraht gesichert wurden, damit sich niemand freiwillig das Leben nimmt.

Das musst Du Dir mal vorstellen!

Ein komplettes Schulgelände inklusive der vier Gebäude wurde quasi über Nacht zu einem brutalen Gefängnis.

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Das Tuol-Sleng-Genozid-Museum wurde im Jahr 1979 nach der Niederschlagung der Roten Khmer durch die vietnamesische Armee eingerichtet

Zuvor wurde das Gefängnis vier Jahre lang genutzt. In dieser Zeit waren (je nach Quelle) 14.000 bis 22.000 Menschen dort inhaftiert und misshandelt.

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Inhaftiert und gefoltert wurden alle – egal wie alt

Unter diesen Menschen waren auch viele kleine Kinder. Der perfide Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn ein Verdächtiger ins Gefängnis musste, dann verhaftete die Regierung der Roten Khmer die komplette Familie. Diese Sippenhaft sollte verhindern, dass später irgendjemand mal Rache üben kann.

Nach einer detaillierten und höchst bürokratischen Aufnahmeprozedur inklusive Fotos und erster intensiver Befragungen wurden die Gefangenen auf Zellen verteilt. Ab jetzt waren die Gefangenen in den Händen der grausamen Gefängniswärter.

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Es wurde hier mit allen Mitteln gefoltert, die man sich nicht vorstellen möchte. Prügel, Elektroschocks oder der große Galgen im Innenhof der Anlage. Als das Gelände noch eine Schule war, haben die Schüler hier ihre Sportübungen erledigt. Mit der Übernahme durch die Roten Khmer wurde der Bogen brutal als Galgen zweckentfremdet.

An diesem Galgen wurden die Gefangenen stundenlang aufgehängt. Dazu wurden ihnen die Arme hinter dem Rücken verbunden und dann zogen die Folterer sie an den Armen nach oben.

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Wer bei den Folterungen geschrien, geweint oder auch nur den geringsten Laut von sich gab, wurde noch schlimmer bestraft.

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Wenn die Gefängniswärter endlich alle Aussagen und Informationen aus den Gefangenen herausgepresst hatten, ließen sie von ihnen ab.

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Die Menschen hier sollten komplett gebrochen werden. Sie sollten jegliche Hoffnung verlieren und dann alles gestehen, was man ihnen vorlegte.

Viele Gefangenen überlebten die Torturen nicht. Wer es doch überlebte, wurde in eins der Killing Fields des Landes gebracht.

In diesen Killing Fields wurden die Menschen grausam getötet und in Massengräbern verscharrt.

Weil die Regierung Munition sparen wollte, wurden die Menschen zumeist mit Spaten oder Stöcken erschlagen. Kleinkinder wurden an den Beinen gepackt und solange gegen einen Baum geschlagen bis sie tot waren.

Tuol Sleng ist ein schrecklicher Ort – aber es gibt noch viel mehr

Als wir 2009 das Toul-Sleng-Genozidmuseum besucht haben, waren wir bereits über 200 Tage auf unserer Reise unterwegs. Wir hatten bereits viele Orte gesehen, an denen grausames passiert ist.

Wir waren in Hiroshima und sind mit einem dicken Kloß im Hals aus dem Museum gekommen. Hier wird den Opfern des Atombombenangriffs im Jahr 1945 gedacht. Die Ausstellungsstücke zeigen die Wucht und Brutalität des Angriffs. Viele der Besucher weinten bereits im Museum und manche mussten den Besuch sogar abbrechen.

Wir waren in Laos. Die USA hatten das Land während des Vietnamkriegs in die Steinzeit zurückgebombt. Offiziell bestreiten die USA bis heute, dass sie jemals in Laos waren. Trotzdem werden bis heute abgestürzte Flugzeuge und deren Piloten gesucht. Bis heute leidet die Bevölkerung des Landes darunter.

Wir hatten in Australien erfahren, was mit den Aborigines passiert war. Innerhalb weniger Jahre wurde deren Jahrtausende alte Kultur innerhalb weniger Jahre durch die britische Kolonialmacht zerstört. Die negativen Folgen für die Ureinwohner sind bis heute in der Gesellschaft zu spüren.

Aber all das war immer so weit weg. Hiroshima 1945, Vietnamkrieg in den 1960er und 1970ern und der Umgang mit den Aborignes begann sogar schon in den 1830ern.

Aber das Massaker, dass die Roten Khmer an der eigenen Bevölkerung verübte, passierte Ende der 1970er. Nur wenige Jahre vor meiner Geburt. Das war alles so nah.

Wie kann es zu soviel Gewalt kommen?

Es ist schwer, solche Erlebnisse zu verdauen. Noch schwerer ist es, zu verstehen, was die Regierung eines Landes dazu bewegt, die eigene Bevölkerung so bestialisch auszurotten. Ganz willkürlich wurden Menschen getötet. Die gebildete Elite sollte ausgerottet werden. Als gebildet galt aber schon, wer nur eine Brille trug.

Jegliche Kultur des Landes sollte ebenfalls vernichtet werden. Das erklärt auch, warum viele der Tempel – auch die rund um Angkor Wat – zerstört und vermint wurden.

Die Rote Khmer hatten vor, Kambodscha in einen autarken kommunistischen Bauernstaat zu verwandeln. Deswegen wurden die Städte geräumt und die Bevölkerung auf das Land umgesiedelt.

Hier mussten sie unter widrigsten Bedingungen Reis anbauen, der dann später im Tausch gegen Waffen nach China ging.

Die Verantwortlichen kamen erst nach 30 Jahren vor Gericht

In den vier Jahren der Herrschaft der Roten Khmer unter Pol Pot starben mehr als zwei Millionen Menschen. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn nicht alle Verbrechen wurden bisher aufgearbeitet.

Als wir in Kambodscha waren, wurden aber gerade die Verbrechen im Tuol-Sleng vor Gericht gebracht. In den Medien wurde breit darüber berichtet, dass 30 Jahre später der Oberaufseher des Foltergefängnisses zur Verantwortung gezogen wurde.

Kaing Guek Eav (geboren 1942), der unter dem Namen “Genosse Duch” bekannter ist, leitete das Foltergefängnis von 1976 bis 1979. Erst 30 Jahre später wurden die Verantwortlichen der Roten Khmer vor Gericht gebracht.

Duch bekam nach jahrelangen Gerichtsverhandlungen erst zu 35 Jahren Haft und nach Revision zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Ihm wurde die Verantwortung für den Tod von 14.000 Menschen nachgewiesen.

Es ist mir absolut unverständlich, wie ein Mensch es verantworten kann, dass unter seiner Aufsicht Menschen mutwillig verletzt und getötet werden? Wie kann so jemand abends nach Hause zu seiner Familie gehen? Ist das für solche Menschen ein normaler Job, dessen Erlebnisse sie nach Feierabend einfach abschütteln?

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Hi, wir sind Kristina und Thomas. Wir reisen richtig gerne und haben auch schon sehr viel von der Welt gesehen. Auf unserem Blog pixelschmitt.de erzählen wir Dir von unseren Reisen und geben Dir Ideen und Tipps zum Nachreisen. 

4 Gedanken zu „Lachen verboten! – das Tuol-Sleng-Genozidmuseum in Pnom Penh“

  1. Das Tuol Sleng Prison hat uns auch enorm beeindruckt – aber dieses eine Schild haben wir dort nicht gesehen!

    Danke für diesen Beitrag, er ist wunderbar geschrieben. Faszinierend finde ich dabei, dass wir Kambodscha trotz seiner grauenhaften Geschichte binnen weniger Tage liebten und unbedingt wiederkommen wollen… geht es dir auch so?

    Viele Grüße,
    Jenny

    Antworten
  2. Hej Thomas
    Vielen Dank für den sehr nachdenklichen Artikel. Einfach brutal, was da gemacht wurde.
    Um deine Frage zu beantworten: Ich denke, dass wir Menschen sehr leicht zu manipulieren sind. Denke, dass die damaligen Wärter auch dachten, sie würden das richtige tun. Vor allem in Extremsituationen sind wir leicht empfänglich und manipulierbar. Ist ja zu Beginn des zweiten Weltkrieges nicht viel anders gelaufen.
    Danke dir fürs Mitmachen bei der Blogparade!
    Grüsse, Igor

    Antworten
  3. Pingback: BLOGPARADE: DAS BILD UND DIE 1'000 WORTE | 7 Kontinente
  4. Hallo Thomas,

    das Gefängnismuseum hat auch bei mir einen starken Eindruck hinterlassen. Die Bilder und die Skelettteile sind wirklich schwer zu ertragen, aber ich bin froh, dass dort nichts geschönt wird. Es war grauenvoll und das müssen wir verstehen und fühlen können.
    Du fragst dich, wie jemand, der den Tod von tausenden Menschen verantworten muss, nachts ruhig schlafen kann. Zu diesem Thema kann ich dir Hannah Arendts Aufsatz über die Banalität des Bösen empfehlen, den sie mit Bezug auf den Eichmann-Prozess 1961 geschrieben hat. Es gibt, glaube ich, auch einen Film dazu.

    Viele Grüße, Franziska

    Antworten

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